Die Klimakrise ist die Bedrohung unserer Zeit. Klimaschutz und ‑anpassung sind einerseits eine erhebliche Herausforderung, andererseits eine große Chance. Einer, der dieses Thema intern vorantreibt, ist Dr. Helmut Frieden – Vice President Corporate Sustainability bei Symrise. Der Notwendigkeit unternehmerischen Klimaschutzes und der Symrise Net Zero Strategie ist er sich bewusst – und weiß zugleich um die größten Aufgaben auf dem Weg dorthin.
„Wir definieren kontinuierlich neue Klimaschutzmaßnahmen und schärfen unsere Ziele. Seit 2017 lassen wir unsere Klimaziele von der Science Based Targets Initiative (SBTi) wissenschaftlich prüfen und genehmigen, d. h. extern validieren, ob diese im Einklang mit dem Ziel stehen, den Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5° C zu begrenzen. Damit gehörte Symrise zu den weltweit ersten 100 SBTi-zertifizierten Unternehmen und ist erstes SBTi-Mitglied seiner Branche. Die derzeitigen Ziele sind klar: Bis 2030 wollen wir hinsichtlich unserer Scope 1 und 2-Emissionen klimapositiv werden – also weniger Emissionen ausstoßen, als wir verbrauchen. Und unsere Scope-3-Emissionen wollen wir um 30 % reduzieren, sodass wir unseren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens bis 2045 leisten.“
»Seit 2017 prüft die Science Based Targets Initiative die Klimaziele der Symrise AG. 2022 wurden diese zuletzt mit dem höchsten Ambitionsniveau bestätigt.«
„Bei den Scope-3-Emissionen haben wir es mit fast 1,6 Mio. Tonnen CO2-Emissionen zu berücksichtigen. Diese zu senken, ist eine enorme Anstrengung. Deswegen nehmen wir am CDP Supply Chain-Programm teil, durch das unsere Lieferanten beim Offenlegen ihrer Umweltziele und -daten unterstützt werden. Hier liegt für uns die größte Herausforderung, die wir kurzfristig bis 2030 und langfristig bis 2045 zu bewältigen haben: die Zahl unserer Lieferanten im CDP Supply Chain-Programm auszuweiten und deren Datenqualität zu verbessern.“
„Seit 2021 haben wir KPIs (Key Performance Indicators) zu Klima und Nachhaltigkeit in die Vorstandsvergütung integriert. So incentivieren und verankern wir die Reduktion unserer Emissionen sowie Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen in den persönlichen Zielen des Vorstands. Dadurch wird die Integration von Klimaschutz in unsere Unternehmensstrategie rund: Wir definieren zuerst Ziele und KPIs, ergreifen dementsprechende Maßnahmen und starten Programme – und machen deren Fortschritt und Erfolg für den Vorstand auch monetär relevant. Diese Implementierung hat unser Aufsichtsrat explizit gewünscht und auch Investoren fordern das immer mehr.“
»Seit 2021 sind KPIs zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit in den persönlichen Zielen des Vorstands von Symrise verankert.«
„In unserer Nachhaltigkeitsorganisation haben wir 150 Ambassadors – sogenannte Nachhaltigkeitsbotschafter – festgelegt. Diese fungieren einerseits als Sprachrohr für Nachhaltigkeitsthemen Top-down und andererseits als Ideenvermittlung, Bottom-up. So sorgen wir dafür, dass wichtige Themen durch die Ambassadors an alle Mitarbeiter getragen und von ihnen verinnerlicht werden. Und die Ambassadors nehmen Ideen von den Mitarbeitern auf und transportieren sie weiter – ins Ideenmanagement. So beispielsweise erfolgreich geschehen bei der Reduktion der Heiztemperaturen ab Herbst oder effizienten Beleuchtungssystemen: Darauf haben wir viel positives Feedback und Zuspruch erfahren. Die Mitarbeiter übertragen den Gedanken wiederum auf das persönliche Handeln – sie fragen sich dann vielleicht, wie sie zu Hause mit den eigenen Heiztemperaturen oder Beleuchtungen umgehen.“
Symrise bezieht über 80 % seiner Rohstoffe aus der Natur. Mit der Klimakrise geht ein enormer Biodiversitätsverlust einher – er beeinflusst unser Kerngeschäft also unmittelbar. Bei Symrise verantworten Eder Ramos, Präsident des Bereichs Fragrance und Vorsitzender des UEBT, und Sascha Liese, Director Corporate Sustainability und Biodiversitätsexperte, das Thema natürliche Vielfalt.
Sascha Liese: „Einerseits, weil Kunden, Investoren, Konsumenten, zivilgesellschaftliche Organisationen und zunehmend auch der Gesetzgeber von Unternehmen wie Symrise erwarten, betriebliche Auswirkungen auf Biodiversität und Ökosysteme möglichst zu vermeiden oder zu minimieren. Andererseits, weil unser Geschäftsmodell seit jeher eng mit Biodiversität und Ökosystemen verknüpft ist und wir die Schatzkammer der Natur auch in Zukunft nachhaltig nutzen wollen.“
Eder Ramos: „Für mich als Leiter der Fragrance Division bedeutet Biodiversität eine unschätzbare Rohstoff- sowie Inspirationsquelle für die Kreation einzigartiger Duftkompositionen. Es liegt also in unserem Interesse, dass wir unseren Teil zum Schutz der Biodiversität beitragen und dass wir ihre Bestandteile nachhaltig nutzen.
Deshalb hat Symrise sich auch das globale Ziel gesetzt, eine zunehmende Anzahl strategisch wichtiger biologischer Rohstoffe aus verifiziert nachhaltigen Quellen zu beziehen. Dabei arbeiten wir eng mit ausgewählten Kunden, Lieferanten und Nichtregierungsorganisationen wie der UEBT zusammen, die uns dabei helfen, ethische und ökologische Standards in unseren Lieferketten zu etablieren.“
ER: „Wir haben eine Kombination von Herausforderungen. Ökonomisch, z. B. steigende Rohstoffpreise und angespannte Logistikketten. Sozial, z. B. Demografie, Migration und Menschenrechte. Ökologisch, z. B. Klimakrise, Wasserknappheit, Bodenerosion, Umweltverschmutzung und deren negative Folgen für die Produktivkraft der Ökosysteme in den Herkunftsländern unserer natürlichen Rohstoffe. Deswegen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir als Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten unsere Prinzipien und Interessen an eine nachhaltige Rohstoffbeschaffung und Nutzung zum Wohle von Mensch und Natur durchsetzen.“
SL: „Das Problem ist, dass es nicht den einen Biodiversitätsindikator gibt, mit dem man die biologische Vielfalt messen kann und dass wir positive oder negative Biodiversitätsveränderungen vor Ort als indirekte Folge betrieblicher Entscheidungen meistens nicht direkt messen können. Was wir heute schon gut messen, bewerten und in Entscheidungsfindungsprozessen berücksichtigen können, ist beispielsweise der Erhaltungszustand von Arten und Populationen, aus denen wir unsere Rohstoffe gewinnen, oder auch die ökologische Integrität von Anbauregionen. Ebenso der ökologische Fußabdruck von Rohstoffen und Produkten – wobei wir zukünftig neben CO2 auch Wasserverbrauch, Landnutzung oder biologische Abbaubarkeit in den Blick nehmen. Ein wichtiger Punkt ist außerdem die direkte und indirekte Bewertung der Nachhaltigkeit oder Nichtnachhaltigkeit land- oder forstwirtschaftlicher Anbaumethoden, z. B. auf Basis von Zertifizierungen, Lieferantenauskünften oder Vor-Ort-Auditsdurch verlässliche Partner mit Biodiversitätsexpertise, wie zum Beispiel die UEBT. All dies hilft uns dabei, Nachhaltigkeitsrisiken frühzeitig erkennen und Bewältigungsmaßnahmen einleiten zu können.“
ER: „Hinsichtlich kritischer Rohstoffe: In die Lieferkette investieren, ein bestimmtes Material aus Nachhaltigkeitsgründen nicht mehr verwenden – was wir in der Vergangenheit auch schon gemacht haben –, nach Alternativen in der Natur suchen oder in die Natur investieren. Natürlich kann man auch die Lieferantenbasis verbreitern, aus mehr Ländern beziehen und bereits am Anfang der Produktentwicklung durch grüne Chemie und ein nachhaltiges Produktdesign vermeiden, kritische Ressourcen zu verwenden. Es bestehen also viele verschiedene Maßnahmen, die helfen können, den Druck auf Natur, Ökosysteme und biologische Vielfalt zu mindern oder gar positive Auswirkungen für Mensch und Natur zu kreieren.”
Die Union for Ethical BioTrade (UEBT) ist eine internationale gemeinnützige Organisation, die die verantwortungsvolle Beschaffung von natürlichen Rohstoffen fördert. Ziel der UEBT ist es, die Mitgliedsunternehmen bei ihren Verpflichtungen und Bemühungen zu unterstützen und zu verifizieren. Nachdem Symrise bereits langjähriges UEBT-Mitglied ist, repräsentiert Eder Ramos als Vorsitzender seit Juni 2022 den Vorstand der UEBT nach außen.
»Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir als Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten unsere Prinzipien und Interessen an eine nachhaltige Rohstoffbeschaffung und Nutzung zum Wohle von Mensch und Natur durchsetzen.«
»Wir wollen die Schatzkammer der Natur auch in Zukunft nachhaltig nutzen.«
Natürliche Rohstoffe sind die Basis unserer Produkte, aber meist nur begrenzt verfügbar. Deswegen müssen unsere Lieferketten und die Beschaffung von Rohstoffen resilienter, unsere Materialkreisläufe geschlossen werden. Michael Klamm, Senior Vice President, Global Procurement, Scent & Care bei Symrise, erläutert, welche Verantwortung wir im Wettrennen um Ressourcen, dem sogenannten „race of resources“, tragen und wie Symrise stetig an nachhaltigerer Ressourcennutzung arbeitet.
„Symrise ist als Unternehmen in diesem Wettlauf sicherlich gut aufgestellt. Ich spreche jedoch immer nur für den Bereich Scent & Care, und da gibt es natürlich einige Berührungspunkte mit erneuerbaren Ressourcen. Die Rohmaterialien und die Produkte, die wir zum Beispiel in Nordamerika verwenden und herstellen, stammen aus natürlichen, erneuerbaren Ressourcen. Ein Beispiel: Wir produzieren künstliche Minze – unter anderem für Zahnpasta – aus einem Beiprodukt der Orangensaftproduktion, nämlich den Ölen aus den Orangenschalen. Somit tragen wir zur Ressourcenschonung bei.“
»Der überarbeitete Responsible Sourcing and Supplier Code of Conduct ist seit 2022 neue Richtschnur für Lieferanten und die nachhaltige Beschaffung bei Symrise.«
„Für uns ist klar, dass der Anteil der Produkte aus nachhaltigen Ressourcen weiter wachsen soll. Wir haben ein Ingenieursteam, das ständig den Output bei unseren Crude Sulfate Turpentine (CST)-Lieferanten optimiert, sodass wir die Mengen dieser Ressourcen erhöhen können. Rohes Sulfat-Terpentin, ein natürliches Öl, das aus Nadelholz gewonnen wird, ist einer der größten Rohstoffe, die wir bei Scent & Care einkaufen – daher sehen wir hier besonderes Optimierungspotenzial. Außerdem unterstützen wir Projekte in verschiedenen Bereichen der Welt, wo wir mit Landwirten vor Ort zusammenarbeiten, um deren Prozesse hin zu natürlichen Produkten zu verbessern. Auch andere Lieferanten befähigen wir und tauschen uns mit ihnen eng dazu aus, mehr nachhaltige Produkte als Rohmaterialien zu verwenden.“
„Unser Ziel ist es, den Anteil unserer Lieferanten, die nach Nachhaltigkeitskriterien bewertet sind – basierend auf 90 % des Einkaufsvolumens – bis 2025 auf 100 % zu steigern. Im Scent & Care-Bereich haben wir es bereits zu 93 % erfüllt. Das gesamte Unternehmen allerdings noch nicht. Deswegen haben wir in 2022 eine überarbeitete und sehr detaillierte Policy, den Responsible Sourcing and Supplier Code of Conduct, veröffentlicht. Die Einhaltung dieser Guidelines fordern wir von unseren Lieferanten ein. Das ist gleichzeitig eine Vorbereitung für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das ab Januar 2023 greift.“
»Der Einkaufsbereich Scent & Care von Symrise steigerte 2022 den Anteil seiner Lieferanten, die nach Nachhaltigkeitskriterien bewertet werden, auf 93 %.«
„Wenn möglich, kaufen wir permanent in den größten Verpackungen oder in Massenware ein und versuchen stetig zu optimieren: Beispielsweise bekommen wir in der Woche verschiedene Lieferungen von einem Lieferanten, die wir konsolidieren. Wir machen diese Konsolidierungen, wo immer wir können. Auch die Fracht oder die Lieferungen für unsere Kunden optimieren wir fortlaufend.“
Unsere Lieferketten sind komplex und weit verzweigt. Umso wichtiger ist es, Rahmenbedingungen für nachhaltige Beschaffung und Schutz der Menschenrechte klar zu definieren. Im Gespräch erläutert Frau Gattermann, Director Corporate Sustainability und Mitglied des Responsible Steering Committee, wie diese Leitplanken konkret aussehen und wie Symrise aktuellen Herausforderungen begegnet.
„Innerhalb unserer umfangreichen Lieferketten – wir kaufen mehr als 10.000 Rohstoffe ein – ist es eine Herausforderung, vollständige Transparenz und Nachverfolgbarkeit sicherzustellen. Das LkSG umfasst neben Rohstofflieferanten auch alle eigenen Betriebsstätten und sogenannten „indirect spend“-Lieferketten – was Komplexität und Umfang zusätzlich erhöht.
Symrise hat u.a. einen Due Diligence-Ansatz etabliert, um über verschiedene Prüfungsstufen hinweg mehr Informationen über die Geschäftspraktiken unserer Lieferanten zu erhalten – auch vor dem Hintergrund der jeweils länder- und sektorspezifischen Risiken. Bereits vor Lieferantenaufnahme fragen wir Geschäftspraktiken, Richtlinien zu Antidiskriminierung, Kinderarbeit, Arbeitnehmerrechten und -schutz sowie Informationen zu Umweltaspekten ab. Wird das ermittelte Risiko hoch eingeschätzt, schließen wir weitere Bewertungen an, bis hin zu einem Audit vor Ort. Vor Aufnahme einer Geschäftstätigkeit erwarten wir die Zusicherung der Einhaltung unseres Lieferantenkodex, in dem wir explizit unsere Erwartungen an Lieferanten beschreiben.”
„Grundsätzlich bezieht sich unsere nachhaltige Beschaffung und unser Managementansatz auf die Lieferanten und ist segmentunabhängig. Aber die Erfahrungen aus den Segmente und den operativen Einkaufsbereichen sind sehr wertvoll, da sie aufgrund ihrer engen Beziehungen zu und Erfahrungen mit den Geschäftspartnern auch vor Ort die Rahmenbedingungen, die möglicherweise zu Risiken führen, besser verstehen (Root Cause). So können gezielter Präventions- oder Mitigierungsmaßnahmen erarbeitet werden. Außerdem sind die Segmente im direkten Kontakt zum Lieferanten und können über ihre langjährige Beziehung Probleme direkt ansprechen oder gemeinsam nach Verbesserungslösungen suchen.“
„Zum einen wollen wir mehr Transparenz in den vorgelagerten Lieferketten herstellen, also bei den Lieferanten unserer Lieferanten. Das hängt vor allem von der guten Zusammenarbeit und einem starken Vertrauensverhältnis mit den Lieferanten ab. Zum anderen muss mehr Transparenz in den sogenannten „indirekten Beschaffungsausgaben“ geschaffen werden. Das sind alle Einkäufe, die wichtig sind, um ein Unternehmen am Laufen zu halten, aber nicht direkt in das Produkt eingehen. Mit den Kollegen aus dem Technischen Einkauf arbeiten wir derzeit an neuen und pragmatischen Lösungen zur Überprüfung von Service-Anbietern verschiedenster Sektoren – auch in enger Zusammenarbeit mit Sedex. Gemeinsam kommen wir bei diesen Themen schnell viel weiter als allein.“
„Potenzial liegt zum einen in der Lieferanten-Kunden-Beziehung: Wenn beide Seiten daran interessiert sind, längerfristig zusammenzuarbeiten und zu wachsen, ist die Bereitschaft der Lieferanten, etwas zu verbessern, ein Vorteil für beide Seiten. Denn nicht nur für uns ist es von Vorteil, wenn unsere Produkte und die Mitarbeiter in den entsprechenden Lieferketten weniger risikobehaftet sind, sondern auch der Lieferant selbst wird dadurch ein interessanter Partner für weitere Kunden. Zum anderen liegt Potenzial beim Thema Scope-3-Emissionen: Den größten Klimaeintrag haben wir über unsere Produkte. Deswegen arbeiten wir daran, auch unsere nachgelagerten Lieferketten bei unseren Reduktionsplänen mit einzubeziehen, sodass wir dort noch mehr bewirken können.“
„Wir arbeiten mit dem CDP Supply Chain-Programm und laden jedes Jahr erneut weitere Lieferanten aus unserem Portfolio ein, um auch sie zu Reduktionszielen und zur Offenlegung dieser zu bewegen. Außerdem versuchen wir, durch unsere Bridging The Gap-Projekte – wo wir mit ausgewählten Lieferanten in einem Multi-Stakeholder-Engagement arbeiten – nachhaltige Produkte und Anbaupraktiken in der Landwirtschaft durch Trainings der Farmer sowie durch die Einbindung der Communities vor Ort zu etablieren.“
»Mehr Transparenz in den vorgelagerten Lieferketten und bei indirekten Beschaffungsausgaben, abseits von Rohstoffen, als besondere Herausforderung und Chance.«
»2022 waren 226 Lieferanten von Symrise Teil des CDP Supply Chain-Programms. Das ist ein Anstieg von knapp 40 % zum Vorjahr.«